Kolumbien: Drohungen und Angriffe untersuchen!

Das Bild zeigt eine Collage mit zwei Logos

Die Logos der kolumbianischen Organisationen CREDHOS und FEDEPESAN, die sich unter anderem für den Umweltschutz einsetzen.

Am 13. Februar wurde eine Handgranate in das Haus eines Mitglieds der Menschenrechtsorganisation CREDHOS geworfen. Mehrere Familienangehörige trugen Verletzungen davon. Dieser Angriff folgte auf wiederholte Drohungen im Januar und Anfang Februar gegen zivilgesellschaftliche Organisationen, die sich in der nordkolumbianischen Region Magdalena Medio für Menschenrechte, Landrechte und den Umweltschutz einsetzen, darunter CREDHOS und FEDEPESAN. Die kolumbianischen Behörden müssen für den Schutz dieser Organisationen sorgen.

Appell an

Hernando Toro
Director of the Special Investigation Unit
Attorney General’s Office
Avenida Calle 24 No. 52 – 01 
Bogotá DC
KOLUMBIEN

Dein Appell

Sehr geehrter Herr Direktor,

In der Nacht des 13. Februar warfen Unbekannte eine Handgranate in das Haus eines Mitglieds von CREDHOS in Barrancabermeja. Dabei wurden mehrere Familienangehörige verletzt. Dieser Angriff erfolgte vor dem Hintergrund anhaltender Drohungen und Angriffe gegen Menschenrechtsverteidiger*innen, Landrechtsaktivist*innen und Umweltschützer*innen in Kolumbien. Betroffen sind insbesondere der Verband für traditionelle Fischerei, Umweltschutz und Tourismus im Departamento Santander (Federación de Pescadores artesanales, ambientalistas, y turísticos del departamento de Santander – FEDEPESAN) und die Organisation CREDHOS (Corporación Regional para la Defensa de los Derechos Humanos), die in der Stadt Barrancabermeja ansässig sind. Diese Organisationen wurden von bewaffneten Gruppen, die in dieser Region operieren, direkt bedroht, zu "militärischen Zielen" erklärt und darüber hinaus als Kollaborateure krimineller Banden in der Region stigmatisiert. FEDEPESAN und CREDHOS hatten die Präsenz krimineller Organisationen, die im Drogen- und Menschenhandel tätig sind, sowie die von regionalen Unternehmen verursachten Umweltschäden angeprangert. 

Ich bitte Sie eindringlich, der Pflicht der Generalstaatsanwaltschaft mit größter Sorgfalt nachzukommen, die Drohungen und Angriffe gegen Mitglieder von CREDHOS und FEDEPESAN zu untersuchen, um die Verantwortlichen für die Anordnung und Durchführung dieser Angriffe zu ermitteln und sie in fairen Verfahren vor Gericht zu stellen. Nur so können weitere Angriffe auf Menschenrechtsverteidiger*innen in der Region Magdalena Medio verhindert werden.

Mit freundlichen Grüßen

Sende eine Kopie an

Botschaft der Republik Kolumbien
I. E. Frau Yadir Salazar Mejia 
Taubenstr. 23
10117 Berlin
Fax: 030-2639 6125
E-Mail: ealemania@cancilleria.gov.co

Amnesty fordert:

  • Ich bitte Sie eindringlich, der Pflicht der Generalstaatsanwaltschaft mit größter Sorgfalt nachzukommen, die Drohungen und Angriffe gegen Mitglieder von CREDHOS und FEDEPESAN zu untersuchen, um die Verantwortlichen für die Anordnung und Durchführung dieser Angriffe zu ermitteln und sie in fairen Verfahren vor Gericht zu stellen. Nur so können weitere Angriffe auf Menschenrechtsverteidiger*innen in der Region Magdalena Medio verhindert werden.

Sachlage

In der Nacht des 13. Februar warfen Unbekannte eine Handgranate in das Haus eines Mitglieds von CREDHOS in Barrancabermeja. Dabei wurden mehrere Familienangehörige verletzt. Dieser Angriff erfolgte vor dem Hintergrund anhaltender Drohungen und Angriffe gegen Menschenrechtsverteidiger*innen, Landrechtsaktivist*innen und Umweltschützer*innen in Kolumbien. Betroffen sind insbesondere der Verband für traditionelle Fischerei, Umweltschutz und Tourismus im Departamento Santander (Federación de Pescadores artesanales, ambientalistas, y turísticos del departamento de Santander – FEDEPESAN) und die Organisation CREDHOS (Corporación Regional para la Defensa de los Derechos Humanos), die in der Stadt Barrancabermeja ansässig sind. Diese Organisationen wurden von bewaffneten Gruppen, die in dieser Region operieren, direkt bedroht, zu "militärischen Zielen" erklärt und darüber hinaus als Kollaborateure krimineller Banden in der Region stigmatisiert. FEDEPESAN und CREDHOS hatten die Präsenz krimineller Organisationen, die im Drogen- und Menschenhandel tätig sind, sowie die von regionalen Unternehmen verursachten Umweltschäden angeprangert. 

Amnesty International hat die Gefährdung von Menschenrechtsverteidiger*innen in Kolumbien seit 2020 dokumentiert. Sowohl in persönlichen Gesprächen mit Behördenvertreter*innen als auch durch öffentliche Appelle und Aktionen auf sozialen und digitalen Plattformen machte die Menschenrechtsorganisation auf die Situation aufmerksam. Doch die Betroffenen und ihre Gemeinschaften werden weiterhin bedroht und angegriffen, nur weil sie ihre Rechte verteidigen. Die Reaktion der kolumbianischen Behörden zum Schutz der gefährdeten Menschenrechtsverteidiger*innen ist unzureichend, was auch einschließt, dass die Verbrechen, denen sie ausgesetzt waren, ungestraft bleiben.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Die Region Magdalena Medio umfasst ein ausgedehntes Tal, durch das der Fluss Magdalena fließt. Erdöl ist eine der wichtigsten wirtschaftlichen Grundlagen in der Region. Die Stadt Barrancabermeja liegt im Herzen von Magdalena Medio in der Provinz Santander. Dort wird die größte Raffinerie des Landes betrieben. In dem Gebiet gibt es außerdem Agrarindustrie, Bergbau und Viehzucht sowie weitere Wirtschaftszweige. In der Region Magdalena Medio haben eine basisdemokratische Organisierung und der Einsatz für die Menschenrechte seit Jahrzehnten Tradition. Gewerkschaftliche, feministische und menschenrechtliche Bewegungen machen die dortige besonders starke Zivilgesellschaft aus. Dieser Einsatz gegen verschiedene Formen von Ungerechtigkeit einerseits sowie der Streit um die territoriale, politische und wirtschaftliche Kontrolle in der Region zwischen verschiedenen – auch bewaffneten – Interessengruppen andererseits haben einen Nährboden für Gewalt gegen Menschenrechtsverteidiger*innen geschaffen, die seit den 1980er-Jahren, wenn nicht schon länger, anhält. 2023 wurden in Magdalena Medio alarmierend hohe Zahlen von Gewalttaten gegen die Zivilbevölkerung, insbesondere von Tötungsdelikten, verzeichnet. All dies geschieht vor dem Hintergrund der Neuorganisation von mindestens vier bewaffneten Gruppen, die in der Region präsent sind.

Der Verband für traditionelle Fischerei, Umweltschutz und Tourismus im Departamento Santander (Federación de Pescadores artesanales, ambientalistas, y turísticos del departamento de Santander – FEDEPESAN) ist am See San Silvestre in der Nähe der Stadt Barrancabermeja tätig. FEDEPESAN kämpft gegen die Wasserverschmutzung durch regionale Unternehmen sowie die Präsenz von kriminellen Organisationen, die in Drogen- und Menschenhandel verwickelt sind – auch mit juristischen Mitteln. In diesem Zusammenhang hat die Präsidentin von FEDEPESAN, Yuly Velázquez, zahlreiche Drohungen und Angriffe erlebt, die von Amnesty International dokumentiert wurden, darunter eine Drohung im November 2020, Schüsse auf ihr Haus im Januar 2021, Einschüchterungen bei Protestaktionen im August 2021, ein Angriff mit einer Schusswaffe im Mai 2022 und ein weiterer im Juli 2022 (bei dem ein Wachmann ihres Schutzprogramms verletzt wurde).

Nach Drohungen gegen den stellvertretenden Vorsitzende von FEDEPESAN im Februar 2021 durch die Nationale Befreiungsarmee (Ejército de Liberación Nacional – ELN) startete Amnesty International eine Urgent Action. Amnesty hat zudem Mängel in der Umsetzung des Schutzprogramms dokumentiert, das die kolumbianische Regierung Yuly Velásquez aufgrund ihres hohen Risikos über die Nationale Schutzeinheit (UNP) zur Verfügung stellt. 

Die unabhängige Menschenrechtsorganisation CREDHOS (Corporación Regional para la Defensa de los Derechos Humanos) wurde 1987 gegründet und wird seit mehreren Jahren von Amnesty International begleitet. Im Jahr 2000 ordnete die Interamerikanische Menschenrechtskommission aufgrund von Drohungen durch paramilitärische Gruppen Schutzmaßnahmen für CREDHOS an. Im Jahr 2016 erkannte die Entschädigungsstelle der kolumbianischen Regierung CREDHOS als Organisation an, der kollektive Wiedergutmachung zusteht, da ihre Mitglieder schwere Menschenrechtsverletzungen im Rahmen des bewaffneten Konflikts erlitten haben.