Amnesty Report Kroatien 07. Juni 2016

Kroatien 2016

 

Kroatien hatte 2015 Mühe, den Flüchtlingen und Migranten, die in großer Zahl in das Land kamen, Zugang zu Asylverfahren und angemessene Aufnahmebedingungen zu bieten. Das Parlament verabschiedete ein Gesetz, das für Überlebende des Kriegsverbrechens der sexuellen Gewalt Entschädigungszahlungen vorsieht. Kroatische Serben und Roma wurden weiterhin diskriminiert.

Diskriminierung

Die landesweiten Feierlichkeiten zum 20. Jahrestag der "Operation Sturm", die 1995 dazu geführt hatte, dass 200 000 Serben aus Kroatien flohen, sorgten im August 2015 für neuerliche Spannungen zwischen serbischen und kroatischen Nationalisten.

Im August 2015 entschied der Gemeinderat von Vukovar, öffentliche Schilder in kyrillischer (serbischer) Schrift zu entfernen und Bürgern offizielle Dokumente künftig nur dann in kyrillischer Schrift auszustellen, wenn sie dies speziell beantragen und dafür eine Gebühr entrichten. Die Entscheidung wurde getroffen, obwohl 34% der Einwohner Vukovars ethnische Serben sind. Das kroatische Minderheitengesetz erlaubt Minderheiten, ihre Sprache und Schrift offiziell zu verwenden, wenn sie mindestens ein Drittel der Bewohner einer Gemeinde stellen. Kroatische Serben wurden weiterhin diskriminiert. Dies galt für die Beschäftigung im öffentlichen Dienst und für den Rückerhalt der Sozialwohnungen, die sie während des Krieges in den Jahren 1991–95 verlassen hatten.

Roma wurden weiterhin sozial ausgegrenzt und diskriminiert, insbesondere beim Zugang zu angemessenem Wohnraum und Beschäftigungsmöglichkeiten.

Das Stadtgericht Split sprach drei Männer frei, die wegen eines homophoben Angriffs auf sechs Frauen in Split im Jahr 2012 angeklagt waren. Die Opfer gaben an, die örtliche Polizei habe sie bedroht, als sie Anzeige erstatteten. Sie habe die Verdächtigen zudem nicht direkt festgenommen und die Straftat nicht gründlich untersucht.

Recht auf freie Meinungsäußerung

Im Juni 2015 bestätigte das Bezirksgericht von Osijek ein Urteil des Stadtgerichts Zagreb gegen Zagreb Pride, eine Organisation für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgeschlechtliche und Intersexuelle. Nach Ansicht des Gerichts verstieß die Organisation gegen die Ehre und Würde einer ehemaligen Angestellten des Rundfunksenders HRT, indem sie diese auf eine Liste von Kandidaten setzte, die als homophobste Person des Jahres 2013 in Frage kamen. Das Gericht wies die Organisation an, das Urteil auf ihrer Internetseite zu veröffentlichen und der Journalistin 41 018,91 Kroatische Kuna (etwa 5350 Euro) zu bezahlen.

Verbrechen nach dem Völkerrecht

Im Februar 2015 sprach der Internationale Gerichtshof (IGH) in Den Haag Serbien und Kroatien vom gegenseitigen Vorwurf des Völkermords frei. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass weder Serbien noch Kroatien der notwendige Vorsatz zur Begehung eines Völkermords während des Krieges in den 1990er Jahren nachzuweisen sei.

Im Mai 2015 verabschiedete das Parlament ein Gesetz über die Rechte der Opfer sexueller Gewalt während des Krieges. Es sieht vor, den Überlebenden die kroatische Staatsbürgerschaft zu verleihen und ihnen eine pauschale Entschädigungssumme von umgerechnet 13 000 Euro sowie eine monatliche Beihilfe von umgerechnet 328 Euro zu bezahlen. Neben den finanziellen Leistungen haben die Opfer Anspruch auf Gesundheitsversorgung, medizinische Rehabilitation und psychologische Hilfe. Das Gesetz trat im Juni 2015 in Kraft, die ersten Zahlungen sollten im Januar 2016 erfolgen.

Die Verabschiedung einer umfassenden Gesetzgebung, die den Status und die Entschädigungsansprüche aller zivilen Opfer von Kriegsverbrechen regelt, stand allerdings immer noch aus.

Kroatien hatte 2015 das Internationale Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen immer noch nicht ratifiziert. Außerdem gab es weiterhin kein Gesetz zu vermissten Personen. Die Angehörigen der 1600 Personen, die in Kroatien seit dem Krieg vermisst werden, konnten daher ihr Recht auf Gerechtigkeit und Entschädigung nicht geltend machen.

Rechte von Flüchtlingen und Migranten

2015 durchquerten mehr als 550 000 Flüchtlinge und Migranten Kroatien auf dem Weg in andere EU-Mitgliedstaaten. Die Behörden unterstützten sie dabei, indem sie kostenlose Transportmöglichkeiten zur Verfügung stellten. Nur einige hundert Personen beantragten in Kroatien selbst Asyl. Bis Ende Oktober 2015 wurden 37 Personen als international Schutzberechtigte anerkannt. Die Behörden unternahmen nichts, um besonders schutzbedürftige Personen unter den Einreisenden ausfindig zu machen, wie z. B. unbegleitete Minderjährige oder Opfer von Menschenhandel.

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