Amnesty Report Ecuador 03. Mai 2015

Ecuador 2015

 

Menschenrechtsverteidiger und Regierungskritiker wurden nach wie vor angegriffen und diskreditiert. Das Recht indigener Bevölkerungsgruppen auf vorherige Konsultation und eine freiwillige, vorab und in Kenntnis der Sachlage gegebene Zustimmung wurde nicht gewahrt.

Hintergrund

Es kam nach wie vor häufig zu Massenprotesten gegen die Politik der Regierung. Im Juli 2014 marschierten indigene Gruppen in die Hauptstadt Quito, um gegen die Genehmigung eines neuen Gesetzes zur Regulierung von Wasserressourcen zu protestieren, das ihrer Ansicht nach den von ihnen geäußerten Anliegen nicht hinreichend Rechnung trug.

Im November 2013 bestätigte der Oberste Gerichtshof Ecuadors ein Urteil gegen den US-amerikanischen Ölkonzern Chevron wegen Umweltverschmutzung. Das Gericht entschied, dass Chevron den betroffenen indigenen Gemeinden am Amazonas Entschädigungen in Höhe von 9,5 Mrd. US-Dollar zahlen müsse. Nachdem Chevron in den USA Klage eingereicht hatte, wies ein US-Bundesgericht im März 2014 die Einforderung der zugesagten Entschädigungszahlungen vor US-Gerichten ab mit der Begründung, das ecuadorianische Gerichtsurteil sei mit Hilfe von Korruption zustande gekommen. Im Oktober 2014 reichten Opfer der Umweltverschmutzung durch Chevron vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag Klage gegen die Unternehmensführung ein.

60 Personen, darunter sechs Polizisten, die des versuchten Mordes am Präsidenten beschuldigt waren, wurden der Beteiligung an Polizeiprotesten wegen Lohnkürzungen im Jahr 2010 für schuldig befunden – die Proteste waren von der Regierung als Staatsstreich ausgelegt worden. Weitere 36 Personen wurden freigelassen.

Menschenrechtsverteidiger

Menschenrechtsverteidiger wurden nach wie vor angegriffen und diskreditiert.

Die Indigenen- und Umweltschutzorganisation Fundación Pachamama blieb geschlossen. Sie war im Dezember 2013 im Rahmen einer Anordnung, die den Behörden umfassende Befugnisse zur Überwachung und Auflösung von NGOs gewährte, geschlossen worden. Einige Tage vor der Schließung hatten Mitglieder von Fundación Pachamama an einer Demonstration vor dem Energieministerium teilgenommen.

Rechte indigener Bevölkerungsgruppen

Im Oktober 2014 entschuldigte sich die Regierung beim Volk der Kichwa in Sarayaku dafür, dass der Staat ihr Leben und ihre Lebensgrundlage gefährdet hatte, als er 2002 und 2003 einem Unternehmen die Erdölexploration auf ihrem Territorium gestattete. Die Kichwa in Sarayaku hatten 2012 einen Rechtsstreit vor dem Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte gewonnen. Allerdings hatte Ecuador Ende 2014 weder die Beseitigung von 1,4 Tonnen Sprengstoff abgeschlossen, die auf dem Territorium der indigenen Gemeinschaft deponiert waren, noch Schritte zur Umsetzung des Rechts aller indigenen Völker auf vorherige Konsultation und eine freiwillige, vorab und in Kenntnis der Sachlage gegebene Zustimmung vorgenommen, wie es der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte 2012 angeordnet hatte.

Pläne der Regierung zur Erschließung von Erdölvorkommen im Yasuní-Nationalpark, der Heimat der indigenen Gemeinschaften der Gagaeri und Taromenane, führten auch weiterhin zu öffentlichen Protesten. Im Mai 2014 erhob die Dachorganisation der Kichwa-Völker in Ecuador (Confederacion Kichwa del Ecuador – Ecuarunari), eine der wichtigsten Indigenenorganisationen des Landes, Klage vor dem Verfassungsgericht, weil die Regierung nicht die 2006 den indigenen Gemeinschaften der Tagaeri und Taromenane vom Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte zugesprochenen Schutzmaßnahmen traf. Ende 2014 war das Verfassungsgericht noch zu keinem Urteil gelangt.

Unterdrückung Andersdenkender

Die Behörden gingen weiterhin rigoros gegen regierungsfeindliche Proteste vor und versuchten so offenbar oppositionelle Strömungen abzuschrecken.

Im September 2014 wurden mehr als 100 Protestierende bis zu 15 Tage inhaftiert, weil sie an gegen die Regierung gerichteten Demonstrationen teilgenommen hatten. Es gab Berichte über Zusammenstöße zwischen Demonstrierenden und der Polizei. Dutzende Inhaftierte klagten über Misshandlungen durch die Polizei während ihrer Festnahme und im Polizeigewahrsam. Medizinischen Gutachten zufolge erlitten zahlreiche Inhaftierte Blutergüsse und andere Verletzungen, die durch stumpfe Gegenstände verursacht worden seien. Ende 2014 waren noch keine diesbezüglichen Ermittlungen eingeleitet worden, und der Präsident wies die Vorwürfe öffentlich zurück.

Recht auf freie Meinungsäußerung

Im Januar 2014 wurden die Zeitung El Universo und der Karikaturist Javier Bonilla (bekannt als Bonil) im Rahmen eines Kommunikationsgesetzes von 2013 zur Zahlung eines Bußgeldes sowie zur Rücknahme des Inhalts einer Karikatur verurteilt. Die Karikatur zeigte Polizeibeamte bei einer überraschenden Razzia im Haus des Journalisten Fernando Villavicencio, einem Kritiker der Regierung. Fernando Villavicencio war einer von drei Männern, die 2013 wegen Verleumdung des Präsidenten zunächst zu Haftstrafen zwischen 18 Monaten und sechs Jahren verurteilt worden waren, die später auf Strafen zwischen sechs und zwölf Monaten reduziert wurden. Ende 2014 waren Fernando Villavicencio und einer der beiden anderen Männer noch auf freiem Fuß.

Straflosigkeit

Im Dezember 2013 verabschiedete die Nationalversammlung ein Gesetz zur Gewährleistung des Rechts auf Entschädigung für Angehörige und Opfer von Menschenrechtsverletzungen in den Jahren zwischen 1983 und 2008, die von der 2007 gegründeten Wahrheitskommission dokumentiert wurden.

Im Januar 2014 wurde der ehemalige Polizeichef Edgar Vaca in den USA festgenommen; er sollte nach Ecuador ausgeliefert werden. Edgar Vaca war einer von zehn ehemaligen Polizei- und Militärangehörigen, die wegen Folter und Verschwindenlassens unter der Präsidentschaft von Léon Febres Cordero (1984–88) unter Anklage standen. Dies war der erste Fall in Ecuador, in dem ein Angehöriger der Sicherheitskräfte wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor Gericht gestellt werden sollte.

Sexuelle und reproduktive Rechte

Nach dem im Januar 2014 verabschiedeten neuen Strafgesetzbuch ist ein Schwangerschaftsabbruch nach einer Vergewaltigung nur dann nicht mehr strafbar, wenn das Opfer unter einer geistigen Behinderung leidet. Versuche, Abtreibungen für alle Vergewaltigungsopfer zu entkriminalisieren, stießen auf starken Widerstand seitens des Präsidenten, der mit seinem Rücktritt drohte, sollte ein solcher Vorschlag in der Nationalversammlung auch nur diskutiert werden. Der Vorschlag wurde zurückgezogen, und drei Kongressmitglieder der Regierungspartei wurden sanktioniert.

Weitere Artikel